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A Euro-Vision of the World Of Art


EuroVision2000 is a temporary, open and supra-national network of video producers. EuroVision2000 was created by three artists of the labor k3000 mediaspace in Zurich, in the context of the western alliances of the European community intensifying political questions on borders, migration and asylum politics. EuroVision2000 was developed from the video exchange project MoneyNationsTV a first attempt to establish an operating supranational media practice in an critical art context end of the nineties.

With videos by: Mogniss H. Abdallah (Paris), Zeigam Azizov (London), Marion Baruch (Paris), Jochen Becker/Jesko Fezer (Berlin), Axel Claes/Tristan Wibault (Brussels), Colletivo Politico (Naples), Rita Canarezza (San Marino), Pier Paolo Coro (San Marino), Paola di Bello (Milan), Doc Video (Turin), Ethical Bros. (Catania), Micz Flor (Berlin), Lisa Haskel (London), Elke Marhöfer (Berlin), Lisa Moren (Baltimore), Sabrina Muzi (Bologna), Marion von Osten (Zürich/Berlin), Paper Tiger tv (New York), Toni Corti (Bologna), Susanna Perin (Zürich/Rome), Jenny Perlin (New York), Angelo Petronella (Bologna), Marco Poloni (Rome), Manuel Poutte (Brussels), Oliver Ressler (Vienna) , Jayce Salloum (Vancouver), Mark Saunders (London), Trebor Scholz (New York), Peter Spillmann (Zurich), Angie Waller (New York)


Blinde Flecken
Als das Projekt <MoneyNations> mit dem Untertitel <constructing the border/constructing east / west> in der Shedhalle Zürich 1998 entwickelt wurde - aus dem in der Folge das ProduzentInnennetzwerk EuroVision2000 hervorging, hatte sich der Diskurs um Eurozentrismus und Postkolonialismus auch im deutschsprachigen Raum bereits etabliert. Allerdings war zu beobachten, dass sich eine spezifische Nord-Süd Perspektive in diesem Diskurs manifestiert hatte, der die Situation der post-kommunistischen Ländern nicht fassen konnte. Im Pressetext zum MoneyNations Projekt hiess es so auch:

„Criticism of a Eurocentric mechanism of knowledge and power has multiplied since the 1990s, including in the German-speaking art and culture scene. In contrast to the North/South discussion, the relationship between East and West, due to its historical and political differences, is more contradictory and has rarely been the subject of scientific research. The political systems which were formerly enemies, whose Cold War propaganda machines permitted portrayal of the other side as an enemy without qualification, are now national units defined by their level of westernization and advancing capitalization. Reporters for the Western media are still quite fond of the "Wild East," Mafia-like organizations, bankrupt national governments and other states of emergency. And while a united Europe shuts out the East through its laws concerning borders and foreigners, multinational corporations and investors have increasingly turned their attention to Central and southeastern Europe as a source of extremely cheap labor. But on a cultural level attempts are being made at the cultural level to connect with a historical continuity of an eastern and western European identity. The expansion of the EU to eastern Europe is inevitably accelerating this process, which is shifting to the countries of Central Europe themselves.
Traditionally, European identity has been formed in contrast to "others" such as the USA, Japan, Asia and the Middle East. This European identity was based in particular on the uniqueness of the region’s cultural tradition with which the culture of the others was disparaged. Eastward expansion of the EU’s border or its entry into NATO, which is at present being offered eastern European countries, is again based on the exclusiveness of this "old" Europe and its western center, while the reality in the former East Bloc and the countries located in the southern hemisphere is being blocked out. Culture has been given a central and extremely important role in the processes of exclusion. The fusion of nation-states into a "single Europe" has created new paradigms for a new identity of all of Europe and excludes those who do not live up to this paradigm of economic efficiency. Categorizations and claims of cultural difference are not only being expressed in the media; they are also becoming part of exhibitions of eastern European art, such as in the construction of authenticity (Sammlung Ludwig) and claims of a new internationalism (Manifesta), which block out the political border productions of Fortress Europe and the role of eastern Europe as the global standard for low wages."

Heute, drei Jahre später, hat sich nicht grundlegend etwas an der o.g. Skepsis geändert, dass zentral- und osteuropäische Kulturschaffende oft nur in das westliche Kunssystem mit einbezogen werden, um stereotype Erwartungen und Exotismen zu bestätigen, oder aber als Aushängeschild für die ökonomische und politische West-Kompatibilität missbraucht zu werden. Mit Ausstellungen wie <After The Wall> in Schweden und Deutschland wurden zwar in der Zwischenzeit die Wissenslücken für WestkuratorInnen aufgefüllt, der Titel <After The Wall> unterstreicht allerdings jene Intention, den Fall der Berliner Mauer (Wall) 1998 zu &Mac226;dem‘ historischen Ereignis hochzustilisieren, welches die Öffnung des Osten insgesamt beschreibbar mache. Die Solidarnocz Bewegung, Perestroika oder die spezifische Situation Jugoslawiens vor 89 werden wider besseren Wissens ausgelöscht. Die Umarmungsgeste von <After The Wall> hat Geschichte einmal mehr aus der Perspektive des Westens geschrieben und Öffnung behauptet, wo doch gerade die Schliessung durch das Schengener Abkommen den physischen Zugang zur EU verhindert. Statt also die widersprüchlichen Entwicklungen in den ost-und südosteuropäischen Länder ins Blickfeld zu rücken und die Fragen die diese für uns in Westeuropa auch als (Kultur) Linke stellen, wird vorallem EU-Geschichtsklitterung betrieben. Nicht verwunderlich also, dass KünstlerInnen und Künstler auch weiterhin auf ihre „Westtauglichkeit" hin beurteilt werden, oder KuratorInnen - die kritisch Position beziehen wollen - einen bestimmten Grad an Betroffenheit mit der politischen und sozialen Situation der post-kommunistischen Länder erwarten, die aus der Westperspektive als ständige Aussnahme gelesen wird, wie dies beispielhaft in der letzten Manifesta sichtbar wurde.

Ob die Bühne von Kunstausstellungen, Biennalen und Dokumenten taugt, um die Behauptung &Mac226;kultureller Differenz‘ und die Vormachtstellung des &Mac226;Westens‘ wesentlich in Frage zu stellen, kann man durchaus bezweifeln. Weitaus tragfähigere Ansätze von sozialen, kulturellen und intellektkuellen Zusammenhänge über die Grenzen der Festung Europa hinaus sind eher durch den Netzaktivismus, über Listen wie Syndicate und Nettime, enstanden. Diese zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie supra-staatlich organisiert sind und die kategorialen Grenzen von Kunst, zugunsten eines KulturarbeiterInnenbegriffs erweitert haben. Die Informationen auf den genannten Listen divergieren zwischen Theorie, Politik und Kultur. Die unterschiedlichen AutorInnen nehmen sich bewusst das Recht heraus, sich über jedes der Felder äusseren zu können.
Die Shedhalle Zürich hatte als Kunstverein zwar an der Dynamik des Netzaktivismus vorerst keinen Anteil gehabt, etablierte aber seit 1994 eine gesellschaftspolitische Ausstellungsprojektkultur, die von KulturproduzentInnen und nicht von KuratorInnen initiert wurde, in der ähnliche Verschiebungen in den AutorInnepositionen wesentlich waren. In diesem Spannungsfeld enstand das Projekt <MoneyNations>, welches im Gegensatz zur üblichen Repräsentation künstlerischer Einzelpositionen in einer Westinstitution ein langfristig angelegtes ProduzentInnennetzwerk etablierte, das von Marion von Osten und Natalie Seitz initiert worden war. Daran nahmen während mehr als zwei Jahre unterschiedliche theoretisch, politisch und kulturell aktive ProtagonistInnen aus Mittel-, Zentral und Südosteuropa teil.


„Call for contribution"

Ein Teilprojekt von MoneyNations1 hat sich neben Austellung und Konferenz in der Shedhalle Zürich als eine taugliches Kommunikationsstrategie erwiesen: das MoneyNationsTV. MoneyNationsTV versuchte als ProduzentInnennetzwerk die Kommunikation aus dem digitalen Raum des E-mails wieder in den analogen zu verlegen, sozusagen vom Text ins Bild, vom Bildschirm in den sozialen Raum des Heim- oder Alternativkinos. Unterschiedliche lokal verortete ProduzentInnen, sogenannte „KorrespondentInnen", tauschten während einem halben Jahr Informationen und Reflektionen im Videoformat untereinander aus. Daraus entstand abschliessend eine Edition mit verschiedenen neuen Videoproduktionen, die an alle TeilnehmerInnen versandt wurde und als Diskussionegrundlage für Veranstaltungen diente oder einfach im Rahmen von Filmprogrammen in unterschiedlichen ost- und westeuropäischen Kontexten gezeigt wurde. 1999 wurden drei VertreterInnen des MoneyNations Netzwerkes (Rachel Mader, Peter Spillmann und Marion von Osten) in einen von Milos Vojtechovsky initierten Workshop nach Plasy (Tschechien) eingeladen. <Panthograph>, so der Titel des Workshops mit TeilnehmerInnen aus Kroatien, Bulgarien, Österreich, Tschechien, U.S.A und der Schweiz, markiert einen wichtigen Wendepunkt des Projektes MoneyNations und MoneyNationsTV, da er die Möglichkeit eröffnete, die formelle Bindung an die (Kunst)Institution, zugunsten einer kollektiven, nicht-institutionell gebundenen Arbeitsweise zu erweitern.

Mit der Einladung zum Cafe9 Mediaspace Prag durch Jennifer de Felice ergab sich auch die Chance, das schon bestehende Netzwerk MoneyNationsTV auf den EU-Raum auszudehnen und die Fragen von Ein-und Ausschluss nicht allein im Zusammenhang mit Staatsgrenzen, sondern auch hinsichtlich des innerstaatlichen und alltäglichen Rassismus innerhalb und ausserhalb der EU Grenzen neu zu stellen.
Der grundlegende Unterschied von einem Projekt wie EuroVision2000 zu üblichen kuratorischen Videoarchiven und Netzwerken ist zudem sein offer, partizipativer Charakter. Im Gegensatz beispielsweise zur Partizipationsgeste der Manifesta 2000 in Ljubljana, wo im Rahmen eines definierten kuratorischen Konzepts aufgerufen wurde, theoretische Reflektionen beizusteuern, die schlussendlich juriert und selektiert wurden, ergab sich bei EuroVision2000 die inhaltliche Substanz durch lokale Akteure und durch die eingesandten Videos selber. Bis auf zwei Videos, die definitiv nichts mit den EuroVision2000 Inhalten zu tun hatten und eher rein formalistische, ästhetische Produktionen waren, wurden keine Einsendungen zurückgewiesen.

Das Prinzip der freien Partizipation wurde in den 90er Jahren in vielen selbstverwalteten kulturellen Projekten als ein Gegenmodell zu kuratierten, von einzelnen AusstellungsmacherInnen und OrganisatorInnen bestimmten Prozessen angewandt. Im Umfeld einer solchen kollektiven Praxis ist es möglich, die sonst fest definierten Rollen als KünstlerIn, KuratorIn oder TheoretikerIn aufzugeben und unterschiedliche Funktionen einzunehmen, je nach Projekt und Interesse mehr inhaltlich, strukturbildend oder kreativ aktiv zu sein. So entstand EuroVision2000 nicht in erster Linie mit einer kuratorischen Absicht sondern aus dem Interesse von KulturproduzentInnen, über Staatsgrenzen hinweg neue Kontakte zu einer kritischen Kulturszene zu knüpfen und Netzwerke für die eigene Praxis aufzubauen. Zudem sollte die Sicht auf die Themen Migration und Neoliberalismus erweitert und differenziert werden.

EuroVision2000 war aber nicht nur im Hinblick auf die freie Teilnahme offen angelegt. Die ursprüngliche Idee für die einzelnen Präsentationen, Diskussionsveranstaltungen und Events war, dass Interessierte vor Ort die Fragestellungen aufgreifen, mit eigenen Themen ergänzen und rund um das gemeinsame Archiv von Videos selber Veranstaltungen organisieren. Die gesammelten Videos sollten dabei als Diskussionsgrundlage dienen, als Material, das unterschiedlich einsetzbar ist und benutzt werden kann. Die Dokumentationen der Veranstaltungen sollten zusammen mit den Videoprogrammen über das Internet life gestreamt werden. So schien uns die Möglichkeit für ein temporäres europäisches Loaklfernsehen gegeben. Die ästhetisch formale Spannweite der Videos - vom reinen Dokumentarvideo bis hin zum Kunstvideoclip - erwies sich durch die inhaltliche Fokussierung und die spezifische Nutzung der Videos im lokalen Kontext als sehr produktive, um Debatten auszulösen. Die ProduzentInnen der Videos waren an den Diskussionsveranstaltungen teilweise direkt beteiligt. Diese Art der Praxis unterscheidet sich dadurch auch deutlich von den im Moment boomenden Videoausstellungen im Kunstumfeld, die das dokumentarische als Werk im Sinne eines Tafelbildes inszenieren.


EuroVision2000@Mediaspace

Cafe 9 war ein mit EU-Geldern finanziertes Kulturhauptstadt-Projekt, welches gleichzeitig in 8 Kulturhauptstädten des Jahres 2000 stattfand. Das Konzept sah unterschiedlich lokal initierte MediaSpaces vor, welche miteinander vernetzt sind und Informationen und Programme austauschen.
Das Projekt wurde aber einerseits von einer kommerziell funktionierende Firma von Helsinki aus geleitet. Andererseits unterschieden sich die einzelnen lokalen Initiativen in ihrer Struktur und in ihrem Charakter erheblich. Das Spektrum reichte vom durchaus alternativ funktionierenden Café9 in Prag bis zu dem Café9 genannten offiziellen Informationszentrum von Brüssel 2000. Demgegenüber hatten wir in EuroVision2000 konkrete Inhalte formuliert, etwa eine dezidiert kritische Position gegenüber dem EU-Normierungsprozess und das Bedürfnis vor Ort physische Kontakte mit KulturproduzentInnen herzustellen. Dies widersprach vorerst allerdings nicht dem Wunsch der Cafe9 OrganisatorInnen, denn Kommunikation und Austausch zwischen sozialpolitisch engagierten Projekten, die sich u.a. der Neuen Medien bedienen, war bei der Einladung ausdrücklich formuliert worden. Schliesslich stellte das Cafe9-Netzwerk EuroVision2000 neben der Basisfinazierung vorallem gewisse technische und räumliche Infrastruktur zu Verfügung.

Das Verhältnis zu den Cafe9 Media Spaces erwies sich - nicht ganz unerwartet - in der Praxis als problematisch. Die Plattform der Cafe9 Mediaspaces ermöglichte es uns nicht, unser KorrespondentInnen-Netzwerk zu erweitern, da die unterschiedlichen MediaSpaces innerhalb und ausserhalb EU-Europas nur auf einer strukturellen Ebene miteinander kommunizierten und keinen inhaltlichen Fokus hatten. Die Idee, über das vordergründig alternativ angelegte Netzwerk von autonomen lokal verorteten Räumen Kontakte zu einer lokalen kritischen Kulturszene knüpfen zu können, erwies sich als falsch. Im Gegenteil behinderte die Cafe9 Struktur eher unsere Arbeit, da dieses von kritischen NetzaktivistInnen und Medienschaffenden aufgrund seines symbolischen Charakters (Vorzeigeprojekt für ein progressives, junges Europa) als problematisch eingestuft wurde. Der persönliche Kontakt zu Cafe9 Prag und vor allem zu Jennifer de Felice und Milos Vojtechovsky hatte uns den Blick auf die symbolische Realität und die politische Dimension eines solchen Kulturhauptstadt-Projektes versperrt, welches letztlich Kulturalisierung der Politik meint und innerhalb der EU nochmals eine ganz andere Bedeutung hatte als etwa in Tschechien. Auch wenn wir im Vorfeld immer wieder unsere inhaltliche Unabhängigkeit von der Cafe9 Struktur deutlich machten, waren wir doch durch diese finanziert und nutzen ihre Infrastruktur. Die Vorwürfe diesbezüglich trafen uns umso härter, als dass wir tatsächlich nur sehr minimale Mittel zur Verfügung hatten.

In Brüssel waren zum Beispiel politisch enagagiert Kultur – und Kunstschaffende nicht bereit, ihre Diskussionen in den Räumen von Brüssel 2000 abzuhalten - was wir angesichts gezielter Inkorporation progressiver, jugendkultureller Images in die Aktivitäten und den Auftritt von Brüssel 2000 durchaus nachvollziehen konnten.
In Bologna waren es die lokalen Netzaktivisten, die nicht mit uns kollaborieren wollten. Sie wurden bei der Konzeption von Cafe9 Bologna nicht zugelassen und waren zum Zeitpunkt von EuroVision2000 mit den Vorbereitungen der Aktionen gegen das OECD Treffen in Bologna (No - OCSE, Juni 2000) beschäftigt, unter anderem auch mit dem Aufbau der Indymedia Webpage für Italien. Mit ihnen blieben aus Solidarität auch weitere lokale kritische Gruppierungen fern. Eine Idee, die unterschiedlichen ProtagonistInnen aus Brüssel und Bologna, mit denen wir Kontakt hatten, alle nach Prag einzuladen, scheiterte an den Finanzen.
Die theoretischen und politschen Fragestellungen und Inhalte, die wir in Zusammenarbeit mit den lokal involvierten KünstlerInnen, TheoretikerInnen und AktivistInnen erarbeitet haben, wurden von den lokalen Organisatoren kaum zur Kenntnis genommen. In Bologna wurde der Pressetext von EuroVision2000 nach etlichen Kürzungen durch das Pressebüro von Bologna 2000, teilweise in sein Gegenteil verkehrt und das lokale Cafe9-Organisationsteam hat VideokünstlerInnen zu unseren Vorbereitungstreffen eingeladen, die sich noch nie kritisch mit Medienarbeit auseinandergesetz haben. In Prag wurden durch die Cafe9 Koordinatoren lokale Theoretiker zu den EV2000 Podiumsdiskussionen eingeladen, die nicht wirklich ins jeweilige Panel passten, was eine produktive Diskussion verunmöglichte.
In Brüssel bereitete die strategische Nutzung des Foyers von Brüssel 2000 für eine Regularisierungskampagne der Sans Papiers, initiert von Marion Baruch, den lokalen KuratorInnen einige Mühe. Die symbolische und politische Aussage einer solchen Veranstaltung im chic hergerichteten institutionellen Kommunikations- und Kulturraum von Brüssel 2000 im Herzen der EU war eindeutig und forderte auch die BetreiberInnen zur Stellungnahme heraus.


Grenzen der Partizipation

Durch die Einladung von EuroVision2000 an die Videonale 9 in Bonn stellten sich weitere Fragen an das Projekt und seinen symbolischen Gehalt. Traditionsgemäss adressiert der institutionelle Vermittlungs-Kontext, wie z.B. ein Videofestival, Einzelpositionen und dementsprechend wurden wir von Soeren Grammel, Kurator der Videonale 9, in erster Linie als AutorInnen angesprochen. Selbst das Standardlayout des Festivalkatalogs, welches die Aufnahme unserer persönlichen künstlerischen Biografien vorsah, verhinderte nuanciertere Aussagen zur partizipativen Struktur des Projektes und unserer Rolle als InitiatorInnen und ProduzentInnen. Die institutionelle Repräsentation reduziert unsere Aktivitäten auf die Rolle von KuratorInnen, während die kollektiven und partizipatorischen Aspekte dieser Form von Praxis kaum wahrgenommen wurden. Die Ausstellung der Videonale 9 selbst war zudem so konzipiert, dass sie Videos, als Einzelwerke präsentierte. Die EuroVision2000 Viewing-Station, die ein wensetlicher Bestandteil der Präsentation des Projektes in Bonn ausmachte, erhielt in diesem Zusammenhang, trotz all unserer gegenteiligen Bemühungen den Charakter einer Kunst-Installation.

Kein Grosserreignis, von der Manifesta bis zur geplanten documenta 11 verzichtet heute mehr auf politisch und theoretisch ausgerichtete Veranstaltungen und/oder den Einbezug von interdiziplinären Szenen und Netzwerken und die Aura des Alltäglichen, dokumentarisch Realen. Kollektive Strukturen, politischer Aktivismus und Theoriebildung haben hier die Rolle übernommen, als scheinbar zeitgemässe symbolische Praxis , dem jeweiligen High Art Anlass ein politisch relevantes und theoretisch Up to Dates Image zu verpassen. Solche Kunstanlässe bieten aber den eingeladenen Projekten und Initiativen kaum je geeignete soziale und finanzielle Bedingungen, um über eine symbolische Repräsentation hinaus, produktiv zu werden.

Die beiden sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit EuroVision2000 in Bonn im Kunstkontext und in den Cafè9 Mediaspaces machen deutlich in welchen Widersprüchen eine gesellschaftspolitisch orientierte Kulturproduktion sich heute befindet, die sich zudem als &Mac226;unabhängig‘ versteht. EuroVision2000 hat sich zwar strategisch vorerst aus dem Kunstumfeld hinaus bewegt, traf aber anlässlich der Einladungen in unterschiedliche lokale Kontexte jene Probleme der heutigen Kulturgesellschaft an, in der kritisches und soziales Engagement auf der symbolischem Ebene verhandelbar geworden ist, ohne dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dabei verändern. Die Annahme, dass unser westliches Modell von Demokratie, Widerstand und „civil society" für alle offen und auf freie Partizipation hin angelegt ist, erweist sich aus den Erfahrungen in Prag, Bologna und Brüssel als eine zutiefst ideologische Konstruktion, weil sie lokale Formen der Politisierung und der Kritik, die gerade in einer Stadt wie z.B. Prag eine lange Tradition haben, ausblendet.

Trotz diesen widersprüchlichen und fast hinderlichen Rahmenbedingungen entwickelte das Projekt EuroVision2000 ein Netzwerk von ProduzentInnen, die auch in Zukunft miteinander im Austausch stehen und partiell zusammenarbeiten werden. In einem politischen Feld werden die Videos regelmässig angefragt, als Anlass für Diskussionen benutzt und aus inhaltlichem Interessen auch weiter empfohlen und distribuiert. Solche Ansätze eigendynamischer Prozesse jenseits der üblichen Distributionsstrukturen von Kunst und Kultur und unabhängig von verantwortlichen AutorInnen, erweisen sich schlussendlich als aussichtsreichste Perspektive für diese Art von Praxis. Der strukturelle Rahmen ebenso wie das soziale Umfeld sind massgeblich an dem beteiligt, wie produktiv eine Veranstaltung und Initiative für die kulturelle Akteure sein kann.
Die Inkorperation von kritischen Inhalten auf der Ebene der Repräsentation im kulturellen Feld verhindert dagegen eher einen kontinuierlichen Prozess der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und Solidarität. Die Annahme mit EuroVision2000 ein unabhängiges, kollektives Projekt zu sein, bedeutet aus dieser Perspektive im Grunde unter schlechteren Bedingungen zu arbeiten, als für ein Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt mit begrenztem Rahmen in einer Low-Budget Institution - wie beispielsweise der Kunsthalle Exnergasse in Wien für MoneyNations2, in der ein hohes Mass an Solidarität und Unterstützung selbstverständlich war.

In gewisserweise stehen Projekte wie EuroVision2000 stellvertretend für andere am Anfang einer Reflektion darüber, unter welchen Bedingungen und mit welchen Vorgaben wir die Institution „Kunstraum" instrumentalisieren und transformieren können, statt nur auf der symbolischen Ebene inkorperiert zu werden.


Labor k3000 Zürich
Marion von Osten, Susanna Perin, Peter Spillmann

Auf der Website www.eurovsion2000.net sind die Veranstaltungen und das gesamte aus dem Kommunikationsprozess entstandene Videoarchiv dokumentiert. Die Videos können bei den ProduzentInnen angefragt werden.
Weitere Informationen zu MoneyNations und www.moneynations.ch und www.shedhalle.ch und zu Café9 unter www.cafe9.net

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